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100-jährige Jubiläumsfeier, 17. November 2019 


Das Krippenbauen – eine keineswegs überholte Tradition

Bei der 100-Jahr-Feier der Krippenfreunde sprach Schirmherr Marcel Huber über Sinn und Bedeutung dieser Liebhaberei

Altötting. Die „Krippenfreunde“ haben laut Satzung den Zweck, den Krippenbau auf religiöser, künstlerischer und volkskundlicher Grundlage zu fördern. Sie verwirklichen das durch die Pflege des Krippenbaus, die Erhaltung des überlieferten Krippenguts sowie durch krippenbezogene „Vorträge, Arbeitskurse, Ausstellungen, Krippenfahrten und dergleichen“. Wollte man das, was der Krippenverein am Sonntag der Öffentlichkeit bot, in diese Kategorien einordnen, liefe es wahrscheinlich unter der bescheidenen Rubrik „und dergleichen“. Nichtsdestoweniger war es eine große, ja gewaltige Kundgebung für die Krippensache, und der Grund dafür war die 100. Wiederkehr der Vereinsgründung.

Mitten im Ersten Weltkrieg, am 4. Februar 1917, wurde in Günzburg der „Verein Bayerischer Krippenfreunde“ aus der Taufe gehoben, und zwei Jahre später, am 21. Dezember 1919, kamen im Altöttinger Kongregationslokal für Männer und Jünglinge 16 Bürger zusammen, um einen eigenen Ortsverband zu gründen. Die Altöttinger Krippenfreunde haben sich ungeachtet wirrer und schlimmer Zeiten zu einem beständigen Verein entwickelt, dessen Mitglieder die Krippensache heute noch mit der gleichen Freude und dem gleichen kunsthandwerklichen Können betreiben wie all jene, die den Krippengedanken durch die Jahrzehnte bewahrt und weitergegeben haben.

Wie bei einem Krippenverein nicht anders zu erwarten, begann man den Jubiläumstag mit einem feierlichen Amt in der Stiftspfarrkirche. Auf der Orgelempore amtierte der Pfarrchor unter Leitung von Theresia Freudenstein und erfreute die Gottesdienstbesucher mit Mozarts Missa brevis in B, dessen „Ave verum corpus“ und der marianischen Antiphon „Sub tuum praesidium“ von Alberich Mazak. Es war eine dem Kirchenjahr gleichsam enthobene Festlichkeit. Vor dem Altar hatte man eine Krippe aufgebaut, und zum Evangelium wurde der vertraute Bibelbericht von der Geburt Jesu vorgetragen – ein Fremder hätte sich mit Franz Beckenbauer fragen können: „Ja, is denn heut scho Weihnachten?“ 

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Nun, in einem gewissen Sinn war ja auch insofern Weihnachten, als bei den Krippenfreunden der weihnachtliche Hintergrund immer präsent ist. Stadtpfarrer Prälat Günther Mandl trug dem Rechnung, indem er seine Predigt ebenfalls mit einem weihnachtlichen Goldgrund ausstattete und von dem in den Worten „Et verbum caro factum est, und das Wort ist Fleisch geworden“ enthaltenen menschheitsgeschichtlichen Wunder der Menschwerdung Gottes sprach. Davon ausgehend skizzierte er die Geschichte des Krippenwesens und rief abschließend die Altöttinger Krippenfreunde dazu auf, in ihrem Bemühen, das heilige Geschehen so getreulich wie nötig und so zeitnah wie möglich darzustellen, nicht nachzulassen.

Da sich auf dem Kapellplatz bereits der Christkindlmarkt angesiedelt hat, konnte der festliche Zug zwar nicht den geraden Weg zum Vereinslokal nehmen, aber an Gepränge ließ er es deswegen trotzdem nicht fehlen. Die Spitze hielt die Fahne der Krippenfreunde, getragen von dem bewährten Fähnrich Günter Lichtenegger. Einige befreundete Vereine schlossen sich mit Fahnenabordnungen an: Feuerwehr, Kolping, Frauenbund, Loreto-Club, KAB und Trachtenverein. So ging es ins Gasthaus „Zwölf Apostel“, wo man versorgt wurde, wie man es sich an so einem Jubeltag nur wünschen kann.  


Was an Jubeltagen noch gewünscht wird, das sind kurze und wegen ihrer Kürze bekömmliche Grußworte. Nicht alle Jubiläen können damit dienen, doch hier gelang es. Die Erste Vorsitzende Angelika Tupy ging mit gutem Beispiel voran, indem sie ihre Begrüßung äußerst bündig vortrug. Landrat Erwin Schneider nahm den Ball auf, und das auf höchst vergnügliche Art, indem er von den Krippenkünsten seiner Kinderjahre berichtete: Wie er zwar imstande war, ein Lichtlein einzubauen, wie er andererseits aber mit der Laubsäge auch den Tisch unter dem Sperrholzwerkstück bearbeitete. Erster Bürgermeister Herbert Hofauer spielte auf gleicher Höhe mit. Obwohl er, wie er launig anmerkte, eine größere wissenschaftliche Arbeit vorbereitet habe, begnügte auch er sich mit Anekdotischem, in seinem Fall mit einem Kripperl aus der Ukraine, das sein Hund dann zerspant habe, gottlob unter Schonung der heiligen Familie und eines Schafes.


Damit war auch für Pfarrer Martin J. Martlreiter, den Präsidenten des Landesvereins der Bayerischen Krippenfreunde, die Latte gelegt, und sportlich, wie er war, respektierte er die Vorgabe. Von ihm kam freilich keine Schnurre, dafür aber ein Lob auf Altötting als Hochburg der Krippenkultur und eine kluge Erörterung all der Elemente, die deren „Spannungsbogen“ bedingen – einen Spannungsbogen, den die Krippen laut Martlreiter aushalten und dem sich auch die Krippenfreunde zu stellen haben. Dass Schneiders, Hofauers und Martlreiters Grußworte von großzügigen Spenden begleitet waren, wurde mit Wohlgefallen aufgenommen.


Nach dem eher lockeren Teil kam die Festrede des Schirmherrn, doch ließ es sich auch dieser – es war der dem Krippenverein schon lange freundschaftlich verbundene Dr. Marcel Huber, MdL – angelegen sein, die Worte so zu setzen, dass das Grundsätzliche sich angenehm anhörte und das Belehrende Freude bereitete. Huber kreiste sein Thema „Krippenbauen – eine überholte Tradition?“ zunächst fachlich ein, indem er die Krippenbauer von ihrer Herangehensweise her einteilte, etwa in Tüftler, Künstler, Theaterleute oder Philosophen, nicht zu vergessen die „einfachen Christenmenschen“, die ohne großen Anspruch versonnen vor sich hinbasteln und daraus ihre Vorweihnachtsfreude ziehen. Dem schloss sich ein Exkurs in die Krippenhistorie an, mit besonderem Blick darauf, dass und wie sich aus dieser Geschichte eine Typologie der Figuren und ein international gültiges Standardszenario entwickelt hat. Um das abzurunden, warf Huber noch einen Blick auf die zwei Beweggründe fürs Krippenbauen: einerseits den Spaß am Gestalten, andererseits den Wunsch, dem Dargestellten einen Sinn fürs Leben abzugewinnen.

Die Kernfrage, ob Krippenbauen überholt sei, stellte Huber zunächst in den Kontext heutiger „Wintermärkte“, in deren Mitte man zwar meist eine „Alibikrippe“ vorfinde, die aber die Befürchtung aufkommen ließen, dass die religiöse Kunst in all dem Geglitzer an ihr Ende gekommen sei. Was solche Befürchtungen verstärke, seien „eine falsch verstandene Liberalisierung der Gesellschaft“ und deren „Banalisierung“ hin zu einer mit Scheinwerten ausstaffierten Scheinwelt. Daraus freilich resultiert laut Huber Zuversicht, weil zu erkennen sei, dass unter der letztlich öden Oberfläche „noch immer in den meisten Menschen eine Sehnsucht nach einer bedingungslosen Geborgenheit und fundamentalen Ordnung schlummert“. Der Schlüssel dafür liege im Weihnachtswunder der Christenheit, womit denn auch die Hüter der Krippentradition diesen Schlüssel in Händen hielten und in der Lage seien, „Menschen wieder an dieses wunderbare Geheimnis heranzuführen, das in der modernen Zeit verschüttet zu werden droht“. 


Jubiläen sind immer auch gute Gelegenheiten, verdiente Mitarbeiter zu ehren. Bei den Krippenfreunden waren dies der erfindungsreiche Krippenbastler Erich Winterer, der als Organisator, Handwerker und Nothelfer unentbehrliche Thomas Randl, die Vorsitzende Angelika Tupy selbst sowie Hermann Unterstöger, der die Chronikredigiert hatte.


Danach begab man sich in den Kongregationssaal, wo Martlreiter und Mandl der großen Krippenausstellung den kirchlichen Segen erteilten. Noch ist die Ausstellung geschlossen, doch öffnet sie bald, nämlich am Samstag, 23. November. Sie dauert bis Sonntag, 15. Dezember, und ist täglich von 11 bis 19 Uhr zugänglich.

Text: Hermann Unterstöger; Fotos: Wolfgang Tupy, Krippenfreunde Altötting e.V.

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